Berlin, 29. Januar 2020. Zum ersten Mal werden heute in Berlin „in einer Nacht der Solidarität“ obdachlose Menschen gezählt und befragt, die nachts auf der Straße schlafen. Nach dem Vorbild anderer Metropolen wie Paris und New York ist Berlin die erste deutsche Stadt, die eine solche Zählung vornimmt. Hierzu erklärt der Sprecher der nak, Gerwin Stöcken:
„Grundsätzlich ist es wichtig und richtig, dass die Situation obdachloser Menschen eine hohe Aufmerksamkeit erfährt, denn ohne jede Unterkunft auf der Straße zu leben ist die schärfste Form von Armut und sozialer Ausgrenzung. Ein entsprechend armutssensibler Zugang während der Zählung ist daher unerlässlich.“
Die nak und ihre Mitgliedsverbände fordern seit vielen Jahren die Einführung einer bundesweiten Wohnungslosenstatistik in Deutschland. Mit dem aktuellen Gesetz zur Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung, dem der Deutsche Bundestag am 16. Januar 2020 in 2. und 3. Lesung zugestimmt hat, wurde hierfür erstmals eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Die große Gruppe wohnungsloser Personen, die auf der Straße nächtigen, wird in den erhobenen Daten jedoch nicht sichtbar. Eine Möglichkeit, diese Gruppe zu erfassen ist es, Straßenzählungen durchzuführen, wie die nak auch in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf angemerkt hat.
„Diesem ersten wichtigen Schritt des Zählens müssen jedoch weitere Schritte nachfolgen: Neben den unmittelbaren Hilfe für obdachlose Menschen muss vor allem die Aufgabe der Schaffung von bezahlbaren Wohnungen für wohnungslose Menschen in Angriff genommen werden. Die aus der heutigen Zählung gewonnenen Erkenntnisse dürfen deshalb nicht nur zur Linderung von Symptomen genutzt, sondern müssen als deutliches Signal zunehmender sozialer Ausgrenzung mit langfristigen Folgen für die Menschen verstanden werden“, so Stöcken.
Zum Hintergrund:
Etwa 3.700 ehrenamtliche Helfer werden heute Nacht auf festgelegten Routen durch die Berliner Bezirke laufen und die Menschen zählen, die auf der Straße leben. Organisiert wird die Zählung von der Senatsverwaltung für Soziales unter dem Titel „Nacht der Solidarität“. Der Senat erhofft sich u. a. Erkenntnisse darüber, welche Sprache die Obdachlosen sprechen, wie viele Frauen und Minderjährige darunter sind.