Ab morgen, dem 1. Juli 2020, übernimmt Deutschland für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Hierzu sagt der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (nak) Gerwin Stöcken: „Mit Sorge beobachten wir eine Verschärfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung in Europa, welche mit der Corona-Krise einhergeht. Vulnerable Personengruppen sind von der Krise und ihren Folgen besonders betroffen und werden in existenzielle Notlagen gedrängt. Es ist unbedingt notwendig, mit angemessenen Maßnahmen gegenzusteuern und ein sozialeres und ökologisch nachhaltigeres Europa zu schaffen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft bietet den Anlass, um verbindliche und konstruktive Initiativen voranzubringen und die Armutsbekämpfung in den Fokus zu rücken. Ziel muss es sein, auch durch europäische Impulse die soziale Situation von Menschen zu verbessern. Dabei müssen Menschen mit Armutserfahrung systematisch mit einbezogen werden.“
Die nak nimmt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zum Anlass, um ihre politischen Erwartungen und Forderungen an die europäische Politik zu stellen. Die nak setzt sich dafür ein, die Grundsätze der Europäischen Säule Sozialer Rechte weiterhin in rechtlich verbindliche Regelungen umzusetzen und mit einem konkreten Maßnahmenpaket mit Leben zu füllen. Ein besonderer Fokus muss dabei auf der Einführung einer verbindlichen europäischen Richtlinie liegen, welche qualitative Mindeststandards für die Grundsicherungssysteme in den Mitgliedsstaaten definiert. Zudem ist es wichtig, dass ein verbindlicher europäischer Rahmen für Mindestlöhne eingeführt wird. Als Grundsatz muss gelten, dass kein*e Erwerbstätige*r in Vollzeit in Einkommensarmut leben muss. Aus Sicht der nak muss die deutsche Ratspräsidentschaft dafür genutzt werden, die Einführung einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung und die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von mobilen Beschäftigten aus der EU und insbesondere von europäischen Saisonarbeiter*innen voranzubringen.
Besonders wichtig ist zudem, dass die Verhandlungen um den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 schnellstmöglich abgeschlossen werden. Die mit dem Vorschlag der EU-Kommission über den MFR 2021-2027 vom Mai 2020 geplanten Mittelkürzungen für den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) kritisiert die nak und fordert die Bundesregierung dazu auf, sich für eine höhere Finanzausstattung einzusetzen. Der ESF+ ist ein wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung und zur sozialen Integration und leistet damit auch einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise.