Fachtag Europa der Nationalen Armutskonferenz am 26. September 2024

Am 26. September 2024 fand der Fachtag der AG Europa der Nationalen Armutskonferenz statt. An dieser Stelle können sie weiterführende Informationen nachlesen.

Den gesamten Text hier als PDF abrufen.

 

Vortrag Prof. Benjamin Benz Evangelische Hochschule RWL Bochum: Armut in Europa ( Folien Prof. Benz)

  • Formen der Armut in Europa
  • Aktuelle Situation; wenig Interesse in der neuen EU-Kommission
  • Aktivitäten zur Armutsbekämpfung

In der Diskussion wurde festgestellt, dass nicht nur ehemals gesicherte Zielsetzungen und soziale Standards im Bereich Sozialstaat in Teilen nicht mehr gegeben sind, sondern dass sogar die Debatte darüber zunehmend zu entfallen scheint. Armut solle gar nicht mehr abgeschafft werden. Auch in Parteien, die sich einmal die Selbstbeschreibung „Parteien der Mitte“ gegeben haben, gebe es rechte Narrative in einem entpolitisierten Diskurs, als könne man die rechtsextreme AfD mit rechten Parolen politisch einhegen. Das Gegenteil sei der Fall.

Das SGB II und XII und der Niedriglohnsektor seien Armutstreiber.

Armut gehe mit Diskriminierung einher, und daher könne Armut ohne den intersektionalen Diskurs gar nicht wirklich erfasst werden. Die Aufgabe sei, gemeinsam in Kollaboration Transparenz und Aufklärung zur Komplexität und den vielfältigen destruktiven Folgen von Armut zu erarbeiten.

Workshop 1: Kinder- und Jugendliche in Armut und das in einem solchen reichen Land wie Deutschland

Silke Starke-Ueckermann, Bund deutscher katholischer Jugend (BDKJ)

( Folien Silke Starke – Ueckermann)

Schwerpunkt der Ausführungen war die Lage von Jugendlichen. Allein durch die verschiedenen Schulformen würden diese selektiert. Die Einstufung in die Schulform Gymnasium zu erhalten, falle vielen Jugendlichen schwer. Einer Langzeitstudie der AWO mit denselben Kindern vom Kindergarten- bis zum Erwachsenenalter zufolge verbleibe mindestens ein Drittel aller Befragten im Bereich in Armut. Diese Selektion setze sich bis zur Berufsausbildung fort. Da mittlerweile viele Firmen mindestens einen Realschulabschluss erwarteten und manche sogar für solche Berufe, die bisher mit einem Realschulabschluss möglich waren, das Abitur verlangten, blieben viele Jugendliche selbst mit Hauptschulabschluss außen vor.

Zahlenmäßig scheine es zu viele freie Ausbildungsplätze zu geben, aber bei über 70.000 Jugendlichen wisse man nicht, was sie zukünftig machen wollen. Es sei erschreckend, wie viele Jugendliche durchs Raster fielen, obgleich sie keinen Schulabschluss vorweisen müssten, um eine Ausbildung beginnen zu können.

Ansatzpunkte: Eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen auch verdiene und Bürokratieabbau.

 

Workshop 2: Die Europäische Säule Sozialer Rechte – Wie geht es weiter?

Alexander Friedrich, Leiter AWO Europabüro in Brüssel

Die Europäische Säule sozialer Rechte (ESSR, proklamiert 2017) umfasst insgesamt 20 Grundsätze aus dem Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Die Säule umfasst drei Kapitel:

  • Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang,
  • Faire Arbeitsbedingungen und
  • Angemessener und nachhaltiger Sozialschutz.

Die ESSR ist seit ihrer Proklamation 2017 der gemeinsame Kompass für ein koordiniertes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten im Bereich Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Das Ziel der ESSR ist es , Ungleichheiten innerhalb der EU zu reduzieren, die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger in der gesamten EU zu verbessern und den sozialen Schutz zu stärken.

Im Jahr 2021 hat die EU-Kommission einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der ESSR vorgelegt. Darüber hinaus beinhaltet er sozial- und beschäftigungspolitische Kernziele für die Zeit bis 2030 vor. Bis 2030

  • sollen mindestens 78 Prozent der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren erwerbstätig sein (Erwerbstätigkeitsziel),
  • sollen mindestens 60 Prozent aller Erwachsenen im Alter von 25 bis 64 Jahren jedes Jahr an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen (Weiterbildungsziel),
  • soll die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen um mindestens 15 Millionen verringert werden, darunter mindestens 5 Millionen Kinder (Ziel zur Armutsreduzierung).

Die Grundsätze der Säule sind rechtlich nicht verbindlich und müssen mit Leben gefüllt werden. Dies kann z. B. durch EU-Förderfonds und -programme oder durch Initiativen (Strategien, Fahrpläne oder Rechtsakte) geschehen.

Die Teilnehmenden des Workshops sind sich einig, dass angesichts des Vorhabens der EU-Kommission, einen neuen Aktionsplan zur Umsetzung der ESSR zu veröffentlichen, ein vertiefter Austausch zu notwendigen Vorhaben zur Armutsbekämpfung notwendig ist.

 

Workshop 3: Sozial-ökologische Transformation – wie gelingt diese in der EU?

Anna–Lena Guske Diakonie Deutschland

(Folien Anna – Lena Guske)

Sie stellte zunächst die EU – Rahmenbedingungen für die sozial ökologische Transformation vor:

Der Klimawandel weitet sich immer stärker aus z. B. Hitzewellen, Starkregen. Die Folgen treffen besonders armutsbetroffene Menschen. Die EU hat das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Bisher sind wir vom Ziel noch weit entfernt.

CO2-Preishandel als zentrale Klimaschutzmaßnahme der EU: Wer Co2 produziert, muss sich eine Erlaubnis dafür kaufen. Ab 2027 soll der Emissionshandel auf die Bereiche Gebäude bzw. Wärmeenergie und Verkehr ausgeweitet werden.

Energiearmut in der EU:

Ca. 40 Millionen Europäer:innen/ 9,3 % der EU-Bevölkerung konnten 2022 ihre

Wohnung nicht ausreichend heizen. Hauptursachen: hohe Energiekosten im Verhältnis zum Haushaltseinkommen. Laut ESSR hat jeder Mensch hat Anspruch auf Energieversorgung. Im europäischen Green Deal wird betont, dass die sozial-ökologische Transformation gerecht und inklusiv sein muss. Die EU hat deshalb einen Klimasozialfonds aufgelegt. Die damit finanzierten Maßnahmen sollten an tatsächlichen Bedarfen der Zielgruppe ausgerichtet sein. Nicht jede Maßnahme werde alle von Energie- oder Mobilitätsarmut Betroffenen erreichen können, dafür seien die Herausforderungen zu vielschichtig.