Anlässlich des Internationalen Tages für die Beseitigung der Armut am 17.10. erklärt Gerwin Stöcken, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz:
„Armut ist weiterhin bittere Realität in Deutschland. Daran haben auch wirtschaftlich günstige Rahmenbedingungen der letzten Jahre wenig geändert. Ob in Form von Kinder- und Familienarmut, Altersarmut, Wohnungsnot, Krankheit, Erwerbsarmut, Arbeitslosigkeit oder Ausgrenzung: Armut betrifft immer mehr Menschen in der Gesellschaft. Arme Menschen sind pausenlos damit beschäftigt, über die Runden zu kommen, während sie gesamtgesellschaftlicher Abwertung, Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt sind. Wo verlässliche und auskömmliche Hilfe, Kontakt, Unterstützung und Teilhabe angebracht wären, erleben viele Menschen Ausgrenzung, Anfeindungen und individuelle Schuldzuschreibungen für ihre existenzbedrohende Lage. In solch einem vergifteten gesellschaftlichen Klima fällt es schwer, Solidarität zu organisieren.“
Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens zur Verfügung hat. Für einen Einpersonenhaushalt ist diese Schwelle bei etwa 1000 Euro pro Monat erreicht1. Darunter liegen in Deutschland aktuell ca. 16% oder rund 13 Millionen Menschen. Während die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen weiter steigt, hat sich die Armutslücke, also der Betrag, der armen Haushalte bis zur Armutsrisikoschwelle fehlt, in den letzten Jahren deutlich vergrößert. Hinzukommt verdeckte Armut, bei der die betroffenen Menschen von wohlfahrtsstaatlicher Unterstützung nicht erreicht werden.
„Als zivilgesellschaftliches Bündnis hat sich die Nationale Armutskonferenz das Ziel gesetzt, die Perspektiven von armutserfahrenen Menschen stärker in den politischen Diskurs einzubringen. Denn wir stellen fest, dass mehr über arme Menschen statt mit armen Menschen gesprochen wird. Auf diese Weise entsteht kein ganzheitliches Bild von Armut und die Entwicklung gemeinsamer Strategien zu ihrer Überwindung wird unmöglich. Stattdessen beobachten wir eine zunehmende Entkopplung von Lebensrealitäten, die Teilhabe und Zusammenhalt untergraben. Wir fordern endlich entschlossenes politisches Handeln, das zu einer wirksamen Prävention, Bekämpfung und Überwindung von Armut führt.“
Zum Hintergrund:
Die Nationale Armutskonferenz (nak) ist im Herbst 1991 als deutsche Sektion des Europäischen Armutsnetzwerks EAPN (European Anti Poverty Network) gegründet worden. Sie ist ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen. In den Jahren 2019 und 2020 hat der AWO Bundesverband die Geschäfts- und Federführung der nak inne.
[1] Quelle: Statistisches Bundesamt für das Jahr 2017